3 MW Leistung: EMZ modernisiert Schredderanlage für Metallschrott mit Spezialmotor
Das Metallrecycling zählt in Europa zu den wichtigsten Rohstoffquellen. Hier sind es vor allem Schredderanlagen auf Schrottplätzen, die ganze Autos, weiße Ware oder Metallprofile zerkleinern und für die weitere Aufarbeitung vorbereiten. Verfügbarkeit und Leistungen zählen: Die Decons SAS, ein erfolgreiches und privat geführtes Recyclingunternehmen aus dem Department Gironde im Südwesten Frankreichs, hat jetzt gemeinsam mit EMZ aus Recklinghausen den Antrieb eines bestehenden Schredders modernisiert.
Die klassischen Schrottplätze von einst sind heute hocheffizienten Recyclingparks gewichen. Sie produzieren Metallfraktionen in großen Mengen und mit hoher Reinheit. Kunden sind vor allem Stahlwerke sowie auf einzelne Metalle spezialisierte Hütten. Hinter dieser Form des Recyclings steht die Tatsache, dass sich elementare Metalle und Legierungen bei ihrer Nutzung nicht verbrauchen. Sie stehen also am Ende eines Produktlebenszyklusses wieder zur Verfügung – sofern sie auf Schrottplätzen den Weg ins Recycling finden. Typische Verarbeitungsschritte sind dabei Pressen, Schneiden und das Zerkleinern in Schredderanlagen mit Anschlussleistungen im Megawattbereich.
„Das Wirkprinzip entspricht einer rotierenden Hammermühle, auf deren Zylinder bewegliche Hämmer entlang einer Achse montiert sind“, erklärt Benedikt Mathiaszyk, als Geschäftsführer bei der Elektro-Maschinen-Zentrale GmbH in Recklinghausen verantwortlich für Großantriebe und Projekte. Dreht sich der Rotor, fahren die Hämmer durch die Fliehkraft nach außen und zerschlagen den von den Vorschubwalzen zugeführten Metallschrott in kleine Stücke. Die Belastungen sind so hoch, dass die Hämmer – trotz Fertigung aus einer Speziallegierung – pro Seite nur Standzeiten von zwei Tagen erreichen. Nach vier Tagen sind die Hämmer mit einem Stückgewicht von rund 135 Kilogramm also komplett zu tauschen. „Dabei verarbeiten sie allerdings einige Tausend Tonnen Schrott.“
Besseres thermisches Verhalten mit neuem Motor
Nach einer umfassenden Modernisierung dieser Anlage wird der mehr als 40 Tonnen schwere Rotor des Schredders heute von einem zehnpoligen EMZ Schleifringläufermotor angetrieben. Dieser liefert am Decons-Recyclingstandort in Le Pian Medoc nahe der südfranzösischen Stadt Bordeaux eine Nennleistung von 4000 PS – also knapp 3000 kW. Auslöser für den Umbau des Antriebs waren vor allem gravierende thermische Probleme beim Vorgängermotor. Der Antrieb war für die Schredderanlage schlicht zu klein dimensioniert, wurde zu heiß und musste immer wieder aufgrund der Überlast abkühlen – was unter dem Strich nur durch eine Reduzierung der Materialzufuhr und demzufolge einer Drosselung der Produktion zu erreichen war.
Der neue Motor aus der speziell für den Schreddereinsatz entwickelten EMZ Baureihe ASD liefert heute mit knapp 3000 kW Nennleistung mehr Reserven. Nach Einschätzung von Benedikt Mathiaszyk ließe sich der Antrieb dank des optimierten Wärmeverhaltens auch mit 3500 kW betreiben. Die hohe Drehmoment-Volumen-Dichte hat in Frankreich den Weg frei gemacht, den stärkeren Motor ohne kostspielige Umbauten auf dem Fundament des alten Antriebs zu montieren. Ähnlich einfach gestaltete sich die Kupplungsverbindung zwischen Motor- und Kardanwelle – zumindest was die vorhandenen Einbaumaße betraf.
Im Gegensatz dazu, war die Auslegung der mechanischen Kraftübertragung durch EMZ deutlich anspruchsvoller. Der Schreddermotor ist über eine Kardanwelle direkt mit dem Schredderrotor gekuppelt. Diese Konstruktion ist notwendig, weil der komplette Schredder flexibel auf kräftigen Stahlfedern lagert, während der Schreddermotor auf einem starren und massiven Betonfundament verankert ist. Berechnungen des Herstellers der Kardanwelle haben im Vorfeld der Umrüstung Drehmomentstöße bis 500 kNm zu Tage gefördert, die wiederum axiale Stoßbelastungen von bis zu 60 Tonnen verursachen können.
Volle Leistung, auch wenn’s hart kommt
Die schnellen und harten Drehmomentstöße haben Auswirkungen auf den Hochspannungsmotor. Die gesamte Konstruktion ist rüttelfest bis zu maximalen Schwingwerten von 28 mm/s ausgelegt. Das Design des Gehäuses, der Welle, der elektrischen Aktivteile sowie der Kohlebürsten, Lager und Schleifringe musste EMZ deshalb verstärken und die gesamte Konstruktion so robust machen, dass der Vergleich mit einem Rüttelmotor durchaus zutreffend ist. Sämtliche Anpassungen standen dabei unter der Prämisse, die volle Leistung des Motors ohne Derating und mit hoher Verfügbarkeit zu liefern. „Alles an diesem Motor ist besonders“, fasst Benedikt Mathiaszyk zusammen und spricht von einer engen Zusammenarbeit mit dem Hersteller der Kardanwelle. Das Unternehmen sei nach Auskunft des Geschäftsführers anfangs genauso von der Höhe der ermittelten Drehmomentwerte überrascht gewesen, wie der Hersteller des Schredders.
Die Kennzahlen sind letztlich eingegangen in eine optimierte Wellenkonstruktion mit Ölpressverband statt Passfeder, die gerade bei den typischen Stoßbelastungen schnell ausschlägt und damit Spiel erzeugt. Beim Prinzip des Ölpressverbandes wird die Kupplungshälfte mit einer Presspassung auf dem Wellenende aufgeschrumpft und geht so eine kraftschlüssige Verbindung ein. „Dank der starken Haftreibung erhalten wir fast die Festigkeit einer geschweißten Verbindung“, meint der Geschäftsführer. Das Abziehen der Kupplungshälfte bei Wartungen beziehungsweise Reparaturen erfolgt dann über das Erzeugen eines Öldrucks durch eine Ölnut in der Welle.
Eine weitere Maßnahme, die den Schleifringläufermotor von EMZ für den Einsatz in Schredderlagen so richtungsweisend macht, ist die Steuerung des Lastverhaltens. Der Antrieb in der Anlage des französischen Recyclingunternehmens arbeitet, da starr am Netz betrieben, mit einer festen Lastdrehzahl von 595 Umdrehungen in der Minute bei einer Spannung von 5500V und einer Frequenz von 50Hz. Angesichts der hohen Stoßmomente des mehr als 40 Tonnen schweren Schredderrotors und der daraus resultierenden Stromspitzen, stand EMZ vor der Aufgabe, die Lastströme wirksam zu begrenzen. Hierbei setzt das Unternehmen aus Recklinghausen auf eine präzise, sichere und wartungsarme Technik: Den Flüssigkeitsanlasser. Spezialist auf diesem Gebiet ist MKS. Das Unternehmen aus Jülich war ebenfalls eng ins Projekt eingebunden – mit dem Ziel, „gemeinsam die beste technische Lösung für die Aufgabenstellung anzubieten“, blickt EMZ-Geschäftsführer Stefan Beese zurück.
Der Flüssigkeitsanlasser hat die Aufgabe, bei einem Laststoß die Drehzahl des Motors zielgerichtet zu reduzieren, wenn es die Hämmer mit härterem Schrott zu tun bekommen oder Schrottfraktionen mit unterschiedlicher Dichte ankommen. Steigt hierbei der Strom über einen Grenzwert an, vergrößert ein Servomotor blitzartig die Kontaktabstände der Elektroden im Flüssigkeitsanlasser. Die Zunahme des ohmschen Widerstands im Rotorkreis führt zu einer kontrollierten Drehzahlabnahme des Motors und Schredderrotors. Dadurch kann die kinetische Energie des rotierenden Systems zum Ausgleich des Laststoßes genutzt werden.
Dieser Aufbau egalisiert Netzrückwirkungen und harmonisiert die Stromaufnahme bei wechselnden Lasten. Vor diesem Hintergrund nutzt EMZ den Flüssigkeitsanlasser von MKS gleich als Steuerung für die Vorschubwalze. „Wird der Nennstromwert des Motors erreicht, stoppt die Walze, nimmt er wieder ab, wird wieder Material gefördert“, erklärt Benedikt Mathiaszyk das Verfahren.
Produktion um die Hälfte gesteigert
Der skizzierte Aufbau funktioniert in der Praxis so gut, dass der Recyclingbetrieb in Südfrankreich nach der Modernisierung der Schredderanlage die vor- und nachgelagerten Logistikabläufe anpassen musste. Der Betreiber spricht in Abhängigkeit der Materialien von Produktivitätssteigerungen von bis zu 50 Prozent, ohne dass der Motor an seine thermischen Grenzen gerät. Der höhere Output wirkt sich zudem auf die Qualität des Schreddermaterials aus. Steffen Kollack, der technische Leiter der Firma Decons SAS, ist mit der Performance des neuen Schreddermotors sehr zufrieden: „Wir führen schneller das Material zu, steigern damit das Volumen im Schredder und erhalten so feinere Körnungen und bessere Qualitäten, weil sich die Metallstücke gegenseitig abarbeiten können. Wenn wir früher bei einer vollen Radlader Schaufel mit einem Gewicht von sechs Tonnen rechnen konnten, dann müssen wir heute durch die höhere Schüttdichte mit einem Gewicht von acht Tonnen kalkulieren.“